Das Wiener Bellman Ensemble

Die „libn layt“ machten einen Ausflug nach Schweden und drehten das Rad der Geschichte 250 Jahre zurück!
Wir verstärkten uns mit der Flötistin Katarina Zimmer, einer Bellman-Spezialistin und vormaligem Vorstandsmitglied der Deutschen Bellman-Gesellschaft, sowie mit dem studierten Wiener Gitarristen Christian Horvath.
Wir nannten uns „Das Wiener Bellman Ensemble“
und luden das Bellman Sänger-Duo Elisabeth Wall und Ulf Ragnarsson, sowie den „Rheinischen Troubadour“ Jürgen Thelen aus Mainz als Solisten ein.
Dann veranstalten wir das Singspiel „Bellman in Wien“ am 11. Mai 2024 im Schauspielhaus zu Wien.

„Bellman in Wien“ im Schauspielhaus Wien_am 11. Mai 2024″
von links nach rechts: Gernot Henning als Jean Fredman, Bellmans alter ego;
Elisabeth Wall als Ulla Winblad, hinter ihr Ulf Ragnarsson als Movitz;
Yonnel Arrouas, Klarinette; Katarina Zimmer, Querflöte und Blockflöte; Sabine Hille, Violine; Regina Außerwöger, Violine;
Susanne Wallner, Akkordeon; Michael Preuschl, Kontrabass; Christian Horvath, Gitarre, Susanna Heilmayr, Bratsche, Barockboe;
Jürgen Thelen, Gesang, Laute, Kontralaute, Drehleier und Nyckelharpa.

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Flyer und Plakat zum Bellman Konzert am 11. Mai 2024 im Wiener Schauspielhaus
Video zum Bellman Konzert
Reservierung und Informationen Schauspielhaus
Video zur Ankündigung des Bellman Singspiels am 11. Mai 2024

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Wer war dieser „schwedische Nationalpoet“, der 1740 in Stockholm, geboren wurde und 1795, also vier Jahre nach Mozart, dort gestorben ist?

Auszug aus dem Buch
Carl Michael Bellman – der Troubadour des Nordens
von Gernot Henning, erschienen im Verlag tredition,  ISBN 978-3-347-30302-7

Carl Michael Bellman wurde im Jahre 1740 in Stockholm geboren – in einer Zeit voller Konflikte, dramatischer Veränderungen und zahlloser Widersprüche zwischen begeisternden Visionen und der grausamen Realität. Die Hemmungslosigkeit, mit der adelige Grundbesitzer die Landbevölkerung ausbeuteten, erreichte in ganz Europa einen Höhepunkt. Mit der beginnenden Industrialisierung wuchs dieser Konflikt in eine neue Dimension zwischen besitzender und arbeitender Klasse. Andererseits bildete sich dank der Ideen der Aufklärung ein neues Bewusstsein, das zur Entwicklung gerechterer Gesellschaftsmodelle führte. In Schweden prallten diese Gegensätze mit Vehemenz aufeinander. Denn als König Karl XII. im Jahr 1721 ganz überraschend starb, war Schweden ausgeblutet und finanziell ruiniert. Zwei Jahrzehnte lang hatte dieser Kriegs-besessene Jüngling auf dem Königsthron seine Armeen in wahnwitzigen Feldzügen durch Polen und Russland bis zur Krim geführt.
Sein Großer Nordischer Krieg war verloren, und die Stellung Schwedens als Großmacht in der Ostsee dadurch zu Ende. Es war höchste Zeit für die Entmachtung des Königshauses durch den schwedischen Adel gewesen.

Die folgende „Freiheitszeit“ war zunächst von einem wirtschaftlichen Aufschwung geprägt, vorangetrieben durch technischen Fortschritt und beginnende Industrialisierung. Der zunehmende Wohlstand des Bürgertums, insbesondere in Stockholm, führte zur allgemeinen Lockerung der Sitten. Das Vorbild war Frankreich, dessen Lebensstil und hochentwickelte Kultur man bewunderte. Andererseits bewirkten jedoch die hemmungslose Gier des Adels nach Reichtum und Macht eine Korrumpierung der neuen Eliten, sowie die Verelendung weiter Bevölkerungsschichten, vor allem des neu entstandenen Proletariats in den unvorstellbar menschenfeindlichen Fabriken. Das Landvolk litt unter Willkür, Missernten und Hungersnot. Russland spielte sich zur „Schutzmacht“ Schwedens auf und besetzte wichtige Teile des Landes. Ein Volksaufstand in der Provinz Dalarna gipfelte 1743 in einem Marsch nach Stockholm. Tausende Söhne des Landes wurden jedoch von den eigenen Truppen und von russischen Soldaten niedergemetzelt – ein Trauma, das die Spannungen zwischen dem „ausländischem“ Königshaus und der Bevölkerung gravierend verschärfte. Die Kluft zwischen den aufklärerischen Idealen einerseits und der brutalen Wirklichkeit wurde unerträglich.

Diese Spannungsfelder hatten den heranwachsenden Carl Michael Bellman ganz wesentlich beeinflusst. Er war ein Kind des gehobenen Stockholmer Bürgertums. Sein Vater war Sekretär in der Hofkanzlei des schwedischen Königs, sein Großvater ein ehrenwerter Professor in Uppsala gewesen. Bellman genoss eine hervorragende Erziehung, war religiös und königstreu. Zunächst versuchte er, den Ansprüchen seiner Familie im Widerspruch zu seinen Anlagen, Talenten und zu seinem Innersten zu entsprechen – ein vergeblicher Kampf mit sich selbst. Den entscheidenden Schritt setzte er, als er das Studium in Uppsala nach kurzer Zeit abbrach, was seinen Vater bitter enttäuscht haben dürfte. Bellmans kritische Haltung zur herrschenden Gesellschaftsordnung und sein Versagen in ihr haben sich wohl gegenseitig bedingt und verstärkt. Er blieb in seiner bürgerlichen Karriere erfolglos, bis er zu seiner wahren Identität als „trubadur“ fand. Bellmans Werk hat diesem schwedischen Wort eine besondere Bedeutung gegeben. Ein „trubadur“ ist nicht nur ein Dichter und Musiker, der den Freuden und Leiden, Hoffnungen und Ängsten der Mitmenschen Ausdruck verleihen kann. Zum „trubadur“ wird nur, wer mit dem Vortrag seiner Kunst direkt zu den Seelen seines Publikums dringen, sie berühren, sie erfreuen, begeistern und trösten kann. Bellman gelang dies durch die innige Verflechtung von Lyrik und Musik. Er verwob im Vortrag beide dank überragender musikalischer und auch schauspielerischer Fähigkeiten immer kunstvoller miteinander. Wäre seine Muttersprache nicht schwedisch, sondern englisch, französisch oder deutsch gewesen – er wäre wohl längst als einer der ganz großen Lyriker in die europäische Kulturgeschichte eingegangen. Heute könnte man Bellman als sozialkritischen Liedermacher und als einen hervorragenden Entertainer bezeichnen.

Wie kommen Wiener Musiker von Mozart auf Bellman?

Was ist das Ziel der „libn layt“ für dieses Konzert?

Das Konzept des Singspiels

Wer von den Musiker*innen spielt denn im „Wiener Bellman Ensemble“?

Fast alle Musiker*innen der „Wiener Klezmer Kapelye“ machen bei diesem Ausflug in die Barockzeit mit. Susanna kann endlich ihre Barockoboe zum Einsatz bringen, Susanne beweist, dass man auf dem Akkordeon wunderbar Klassik spielen kann, unser Streichquartett ist in klassischer Musik sowieso zuhause, Yonnel spielt alles und Gert hat seine Mandoline ausgepackt. Dazu haben wir uns auch noch mit Gästen verstärkt: Katarina spielt Querflöte und Blockflöten, liebt Bellman und war sowohl Gründungs- als auch Vorstandsmitglied der Deutschen Bellman-Gesellschaft. Gerts Gitarrelehrer Christian Horvath studierte auf der Hochschule für Musik in Wien bei Prof. Scheit.

Hier finden Sie noch mehr Informationen über uns

Sabine…Susanna…Regina.. .Katarina…….Yonnel…….Susanne… …..Christian……..Gert…Michael

Wieso nennen die „libn layt“ das Konzert ein „Singspiel“?

Bellmans Lieder sind kleine Dramolette oder Miniopern. Sie erzählen kurze Episoden aus dem Leben seiner Protagonisten, die Höhen und Tiefen des Musikantenlebens, das wüste Treiben in den Wirtshäusern und auf den zahlreichen Ballveranstaltungen, das Naturerleben, aber auch die Schicksalsschläge durch Krankheit und Tod.

Ein wenig Hintergrundinformation ist zum Verständnis der Liedtexte sehr hilfreich, insbesondere, wenn man Bellman noch nicht kennt. Wir haben dieses Problem ganz im Sinne Bellmans gelöst: Die Sängerin Lisa schlüpft natürlich in die Rolle von Bellmans Hauptprotagonistin Ulla Winblad, die Schönste der Schönen, Bellmans Muse, der Liebesgöttin Freyas Kind und Priesterin im Tempel des Bacchus. Movitz spielt selbstredend Lisas Partner Ulf, der „Rheinische Troubaour“ Jürgen gibt den Musikanten Vater Berg und Gert ist Jean Fredman, ein Uhrmacher ohne Uhr, Werkstatt ud Geschäft, das lyrische alter ego Bellmans.
Mit kleinen Gesprächen zwischen den Liedern leiten diese Figuren Bellmans von Lied zu Lied über und vermitteln ganz nebenbei ein wenig Hintergrundinformation.

Und welche Lieder werden wir hören?

Gesang 15
Was zunächst wie ein typisches Trinklied klingt, ist bei näherer Betrachtung vielmehr eine verzweifelte Klage über die Ausweglosigkeit der Trunksucht. Dies ist ein gutes Beispiel, wie geschickt Bellman seine Gesellschaftskritik mit Humor camouflierte. Seine Zuhörer lachten herzlich über sich selbst, ohne es zu merken. Am bitteren Ende des Liedes folgt die zynische Feststellung an die dahindämmernden Saufkumpane: „Nun haben wir alles bekommen, was unser Herz ersehnt hat“.

Gesang 21
Dieses Lied ist für mich fast schon ein „schwedischer Jedermann“. Da wird die ganze Hohlheit, Niedertracht, Grausamkeit und Doppelmoral der Gesellschaft seiner Zeit angeprangert, jedoch gut getarnt durch fröhliche Marschmusik. Wie in einem Totentanz ziehen sie fort von tollen Treiben des Bacchus ihrem Grabe entgegen und singen den ins Lächerliche ziehenden Refrain: „Glaubst du, dass das Grab zu tief wäre, na, dann nimm noch einen Schluck, und noch zwei, drei, dann stirbst du viel erfreuter“.

Gesang 31
Das Lied vom Fischfang früh morgens nach dem Regen ist ein Vertreter der lichten Seite Bellmans. Voll seligen Entzückens weckt Bellman seine große Liebe, um mit ihr zum Fischen auszufahren. Wahrscheinlich endet der Ausflug auf die schaukelnden Wellen wieder in der Blumenwiese – „ja, spottet nur, ihr Sirenen, ich werde sie dennoch ewig lieben!“ Diese Episode ist authentisch, der junge Bellman erlebte in ähnlichem Szenario eine seiner großen Lieben.

Gesang 32
Im Mittelpunkt steht der Dichter, dem kurz vor dem Einschlafen der Gott der Nacht, Apoll, und andere Gestalten durch den Kopf gehen, während er gleichzeitig schildert, wie die Natur, genauso wie er, des Abends zur Ruhe kommt bis zum Schlussvers „und jetzt, jetzt schlafe ich“.
Es treten auch einige weniger bekannte Figuren der griechischen Mythologie auf: Timanthes war ein berühmter Maler, Alexis der beste sterbliche Lyraspieler, Arachne die begnadete, aber frevlerische Weberin, die durch ihre überlegene Kunst Athene demütigte und zur Strafe von der rachsüchtigen Göttin in eine Webspinne verwandelt wurde.

Gesang 35
Neben den mythologischen Gestalten der alten Griechen, die zwar respektvoll, gleichzeitig aber Augen-zwinkernd besungen werden, macht sich Bellman gerne über biblische Gestalten lustig, natürlich besonders dann, wenn sie sich in Bellmans Hauptthemen, Liebe und Wein, verstricken. Es ist wirklich zum Lachen, dass aus dem Spottlied auf den alten Trunkenbold Noah und seine brave Frau ein derart populäres Kinderlied geworden ist, das fast jeder Schwede schon im Vorschulalter auswendig kann.

Gesang Nr. 56
Dies ist die Quint-Essenz von Bellmans Kritik an den „Lehren des Heiligen Fredman“: Es könnte als ein Dialog zwischen seinen beiden „alter ego“ verstanden werden: Fredman, der Optimist, lobpreist mit überschwänglicher Begeisterung Schönheit und Wein. Aber Movitz, der Realist, relativiert „Fredmans Lehren“ sogleich mit seinen trockenen Kommentaren „nota bene“.

Gesang 64
Eine Huldigung für Gustav III., den wichtigen Förderer und Gönner Bellmans. Das von ihm erbaute Schloss Haga, obschon wesentlich bescheidener angelegt, als Versailles, Schönbrunn oder Sanssouci, sollte dennoch die Macht und Kultur des schwedischen Königshauses und Schwedens demonstrieren. Eine letzte Reminiszenz an die einstige Großmacht Schweden.

Epistel 2
Fader Berg ist in den älteren Episteln Symbolfigur und Repräsentant der nicht honorigen Musikanten Stockholms, zwar alle virtuos auf vielen Instrumenten, aber meist in anderen Berufen gescheitert, nun nur mehr  engagiert als Kneipenmusiker und auf Bällen, alle dem Alkohol verfallen. In den späteren Episteln übernimmt Movitz diese Rolle und wird Bellmans „musikalisches alter ego“. Vater Berg, gelernter Tapetenmaler, spielt Violine, Flöte und Waldhorn. In diesem Dramolett wird nicht nur seine Kunst auf der Violine, sondern auch die Wertschätzung besungen, derer er sich bei den Nymphen, nicht nur dank seines Spiels, erfreut. Die letzte Strophe bringt den von Bellman oft thematisierten Konflikt, welcher Gottheit man heute Nacht huldigen sollte: Venus oder Bacchus? Vater Berg trifft diese Entscheidung getreu den Lehren des „heiligen Fredman“: Saufen, trinken UND sein Mädchen haben!

Epistel 23
Fredman liegt frühmorgens im Rinnstein, ein Jammerbild eines Alkoholikers mit allen denkbaren Entzugserscheinungen nach einem Vollrausch. Einerseits betrachtet er selbstkritisch seinen Zustand, andererseits verwünscht er seinen Vater und dessen Liebe zu seiner Mutter. Er klagt diese an, weil sie sich dem Vater hingegeben hat. Ach, wäre ich doch niemals gezeugt worden! Die Rettung naht, die Tür zur Schänke „Kriech herein“ öffnet, die ersten Schlucke heben den Alkoholpegel, und plötzlich sieht der gerade noch zitternde Fredman wieder alles in rosigstem Licht, fühlt sich stark und mächtig, preist das Brautbett und lobt des Vaters Potenz, mit dem er gerne einen saufen würde, täte der noch leben.

Epistel 48
Dies ist ein schönes Beispiel für Bellmans Liebe zur Natur und zu seinen Protagonisten. Meine gekürzte Übersetzung beschreibt nur die Heimreise einer Musiker-Gesellschaft von der kleinen Insel Hessingen auf dem Heuboot des Schiffers Olle. Früh morgens segelten zahlreiche Schiffe aus den Inseln im Mälarsee mit ablandigem Westwind auf Stockholm zu, um die Märkte dort mit frischen Lebensmitteln zu versorgen. Es kommt zu fröhlichen Begegnungen der Schiffer, die sich gegenseitig necken. Auch die unglücklich verliebte Magd Marjo ist mit ihrer Jolle zur Stadt unterwegs. Ulla, sichtlich übernächtig, wird von Fredman, dem Erzähler, hofiert. Die Aufforderung, ihr Haar zu lösen, ist eine für Bellman typische Anspielung auf die erotischen Beziehungen der Protagonisten.

Epistel 73
Jergen Puckel ist einer der vielen nach Stockholm eingewanderten deutschen Handwerker, ein Gastarbeiter, für den nicht das Zunftrecht, sondern nur das Recht eines Lohnarbeiters galt. Des Schwedischen nur leidlich mächtig, spricht er ein Kauderwelsch aus Plattdeutsch und verballhorntem Schwedisch, von mir etwas verständlicher dem Hochdeutschen angeglichen. Sein Buckel hinderte ihn nicht daran, ein sehr guter Tänzer zu sein. Manche Saufkumpane sagten Jergen nach (vielleicht neidisch auf Glück im Spiel?), er hätte sich dem Teufel verschrieben. Der Satan kommt dann auch wirklich ins Gasthaus Rosenthal, zwecks Verlängerung des Vertrags, den Jergen dann eigenhändig mit seinem Blut unterschreibt.

Epistel 81
Fredman und Movitz, die beiden „alter egos“ Bellmans, schaufeln bei Fackellicht die Grube für eine lebenslustige Wirtin, die Frau des Löfberg. Schauernd betrachten die beiden den Grabesschutt und sehen schon Charon und den Totengräber winken. Es folgen einige philosophische Betrachtungen über die Ambivalenz des Grabes, das Ruhe und Frieden, aber auch Tod und Verwesung beherbergt, an dem aber das Glück niemals verweilt. Bellman beschreibt dann die Respektlosigkeit und Heuchelei der Trauernden im Leichenzug, die heulend über zerbrochene Särge und Rosen trampeln. Der Raufbold Löfberg wird direkt angesprochen mit einer Andeutung auf einen Ball und eine Schlägerei – war der plötzliche Tod seiner stets durstigen Frau etwa ein gewaltsamer? Zum Schluss stellt Fredman die selbstsüchtige Frage: „Wer soll sich jetzt um die Flaschen kümmern?“

Epistel 82
Bellman hat diese Epistel wohl mit Bedacht als letzte in seinem wichtigsten Werk platziert. Sie beschreibt mit berührender Innigkeit alle Freuden, aber auch alle Konflikte des Lebens, die Bellman wichtig waren: Die wunderbare Schönheit der Natur, das vergnügte Schmausen, Trinken, Musizieren und Feiern mit den lieben Freunden, bedient von den entzückend eifrigen Nymphen, mit hüpfenden Brüstchen, schwitzend in süßer Aufgeregtheit. Aber auch das Nörgeln der alten Tanten aus der besseren Gesellschaft und der geldgierige Wirt fehlen nicht. Doch Fredman spürt dann, dass seine Kräfte merklich schwinden, und Charon auf ihn wartet. Von hinten schnippelt schon Clotho an seinem Lebensfaden, aber trennt zum Glück beim ersten Versuch nur einen Knopf von seinem Gehrock ab (ein für Bellman typischer kleiner Spaß mitten in der feierlichen Schilderung dramatischen Geschehens). So nimmt Fredman, gänzlich unerwartet, Abschied von Ulla, die ihm – das muss sein! – letztmals Braut wird. Das Ende seines Lebens und auch seines  Buches kommt, wenn es am schönsten ist.
Es wundert nicht, dass fast alle Übersetzer Bellmans dieses Lied bearbeitet haben.

Interessiert an den Übersetzungen der Lyrik Bellmans ins Deutsche?

Die ersten Bellman Übersetzer waren sehr beeinflusst von Ernst Moritz Arndt, geboren 1769 im damals schwedischen Pommern, ein deutscher Schriftsteller, Historiker und Politiker. Als Freiheitskämpfer musste er 1806 vor den Franzosen nach Schweden fliehen, wo er drei Jahre blieb. Er beschäftigte sich dort intensiv mit der Lyrik Bellmans, deren Qualität er erkannte und mehrfach beschrieb und lobte. Doch auch er übernahm das Klischee von Bellman als dem „schwedischen Anakreon“, das Gustaf III. in die Welt gesetzt hatte, allerdings anders gemeint, als es die ersten Übersetzer im 19. Jahrhundert dann interpretierten. Nur Niedner übersetzte mit hoher Qualität und nahe am Original, aber auch er war geprägt von der patriarchalischen Gesellschaft seiner Zeit, die – nach den Lehren Fredmans – dem Alkohol sehr zugetan, aber fern der Idee von einer Gleichberechtigung der Frau waren. Diese Klischees wurde dann auch im 20. Jahrhundert übernommen, allen voran von Carl Zuckmayer, der, des Schwedischen nicht mächtig, auf Niedners Übersetzungen aufbaute, Bellmans Lyrik oft aber nur als „Anregung für die eigene Dichtung“ nutzte.

Gernot Henning wurde zur eigenen Bellman-Übersetzung inspiriert, weil die in seiner Jugendzeit verfügbaren Übersetzungen ins Deutsche ihm zu weit entfernt vom Original erschienen. Sein Ziel war, im Leser seiner Übersetzungen dieselben Emotionen wach zu rufen, die Schwedinnen und Schweden haben, wenn sie Bellman im Original lesen oder hören. Dieses Ziel kommt in den unabhängigen Rezensionen von Hennings Buch „Carl Michael Bellman – der Troubadour des Nordens“ zum Ausdruck.

„Bellman auf Deutsch“, Rezension von Olof Holm, Archivar, Vorstandsmitglied
der Bellmanssällsskapet in Stockholm, zum Bellman-Buch von Gernot Henning
auf Seite 16 in der Mitgliederzeitung Nr 3-4 2022 der Bellmanssällsskapet


Die „Bellmanssällskapet“ mit Sitz in Stockholm ist die Vereinigung aller am Werk des schwedischen National-Poeten Carl Michael Bellman Interessierten in Schweden.
Die Gesellschaft gibt je Quartal ein Mitteilungsblatt an die Mitglieder heraus namens „Hwad behagas?“
In der Ausgabe N:o 3-4 Anno 2022 erschien unter dem Titel „Bellman auf Deutsch“ auf den Seiten 16, 17 eine Rezension des Buches von Gernot Henning „Carl Michael Bellman – Troubadour des Nordens“.
Der Verfasser des Artikels ist Olof Holm, ein anerkannter Experte in Sachen Bellman, im Vorstand der Bellmanssällskapet als ihr Archivar tätig.
Seine höchst anerkennenden und wohlwollenden Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
„Der Wiener Bellman-Kenner Gernot Henning hat 12 Episteln und 14 Gesängen Bellmans ein deutsches Sprachkleid geschneidert.
Zuerst sollte man sagen, dass die Übersetzungen singbar sind, denn Musik und Lyrik Bellmans müssen „schwesterlich vereint“ sein, um mit Kellgren zu sprechen. Das Buch „Der Troubadour des Nordens“ ist mit viel Hintergrundmaterial versehen, einer gediegenen Einführung, einem Essay über die Nöte eines Bellman-Übersetzers, klugen Kommentaren und mit reichem Bildmaterial ergänzt, dessen Zusammenstellung sicher Spaß bereitet hat. Die Interpretationen sind mit Liebe und Geschick gemacht.
Die Deutschen haben eine neue Bellman-Übersetzung bekommen, um sich daran zu erfreuen.“
Olof Holm, Stockholm, Dezember 2022

Zusammenfassung eines Kommentars zum Buch von Gernot Henning, geschrieben von Klaus-Rüdiger Utschick, dem 1. Vorsitzenden der Deutschen Bellman-Gesellschaft, dem einzigen Autor, der sämtliche Gesänge und Episteln Bellmans ins Deutsche übersetzt hat.
„Was mir besonderes Vergnügen bereitet ist, dass das Buch in mancher Hinsicht neue Wege geht. Da sind die vielen schönen und gekonnt ausgewählten Bilder, die Faksimile Noten aus zwei Jahrhunderten, die ganz unaufdringlich die Rezeptionsgeschichte vermitteln und die prägnanten und treffenden Untertitel.
Und was mir natürlich vor allem gefällt: die Geschichten werden in adäquater, natürlicher frischer Sprache erzählt; da wird Bellman nichts aufgepfropft, weder um des Reimes willen, noch um Bellmans Witz übertreffen zu wollen. Bellmans Darstellungskunst wird ganz ungekünstelt im Deutschen nachempfunden und nachgestaltet, bravo! Alles wirkt und ist stimmig, Bellman pur.
Gratulation für dieses Werk, das die Vielzahl an deutschen Bellman-Übersetzungen nun um eine am Original orientierte gelungene Version bereichert und Bellman und seine Kunst verständlich und erlebbar macht.“
Klaus-Rüdiger Utschick, München, 24.11.21
„Carl Michael Bellman – der Troubadour des Nordens“ von Gernot Henning,
veröffentlicht im Jahr 2022 im Verlag tredition in Hamburg.
https://shop.tredition.com/booktitle/Carl_Michael_Bellman/W-1_156051

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27.9.2024